In Zeiten pompöser Inszenierungen und gefährlicher Feindbilder ist diese Botschaft ein radikaler Aufruf zur Ehrlichkeit, Mitmenschlichkeit und Hoffnung. Ich verstehe die christliche Auferstehungsbotschaft als Einladung zu nüchterner Zuversicht und erwachsener Menschenliebe. Sie fordert uns auf, hinzuschauen; ermutigt zu Engagement und Zivilcourage, ohne die Erwartung zu wecken, dass wir damit die Welt retten könnten.
Damit fängt alles an: Die Menschen tanzen vor Freude auf der Straße und werfen dem Helden, der einzieht, Kleidungsstücke zu. Heute würden wir vermutlich noch mindestens Konfettikanonen erwarten, die aus allen Rohren feuern, damit es glitzerndes Papier vom Himmel regnet. Wir Menschen lieben solche Inszenierungen: Sie schweißen zusammen. Für einen Moment scheint das eigene Glück vollkommen, denn Rettung naht und das Leben scheint für einen Moment perfekt. Wir stehen auf der Sonnenseite des Lebens.
Heldentaten, Rettung und Erfüllung des Lebens: Nicht nur Weltanschauungen, Sport und Weltpolitik sind voll solcher Inszenierungen: Da sind Präsidenten, die mit dickem Filzstift Verordnungen unterschreiben, die das Leben bis hin zur morgendlichen Dusche wieder „großartig“ machen, während sie weltweit Menschen in Hunger und Verzweiflung treiben. Politische Führer, die Aufmärsche glücklicher Untertanen abnehmen, über dem „bösen Feind“ Bomben regnen lassen und millionenfachen Tod und Verzweiflung tarnen unter Wortungetümen wie „militärische Spezialaktion“, damit die Party daheim nicht vom Wort „Krieg“ gestört wird.
Immer derselbe Grundmechanismus
Der Grundmechanismus ist immer derselbe: Glitzernde Inszenierungen, die in den Menschen den Wunsch wecken, dazuzugehören, Teil eines Lebens zu sein, das großartig ist; Reden, die es mit der Wahrheit nicht ganz genau nehmen oder sie auf den Kopf stellen; und natürlich – nicht zu vergessen – Feindbilder! Denn irgendwer muss ja schuld sein, wenn es mit dem eigenen Glück dann doch nicht so rund läuft. Außerdem spürt man das eigene Glück ja besser, wenn es anderen dreckig geht. Und ein Feind ist ja kein Mensch: Er ist der ukrainische Faschist, den man mit Bomben auslöschen darf; er ist der südamerikanische illegale und angeblich kriminelle Einwanderer, der als namenloser Feind kahl rasiert und gedemütigt in Ketten ausgeflogen werden kann, um in irgendeinem Höllenloch einer Diktatur zu verrotten – der amerikanische Traum auch für jene braunen Spießer, die dieses dreckige Geschäftsmodell für Deutschland oder Österreich quasi „reimmigrieren“ wollen. Das Leben, die eigene Nation, die eigene Weltanschauung muss doch großartig sein, das darf doch nicht anders sein – und wenn wir eben Blattgold auf die reale Kacke kleistern und unsere Mitmenschen in den Dreck zerren!
Kein Rezept für Großartigkeit
In Jerusalem vor zweitausend Jahren kommt dann ein Mann eher am Ende seines harten Arbeitslebens als Handwerker auf einem viel zu kleinen Esel, einem Fohlen, die staubige Straße hoch geritten. Kein Tier für Helden! Eher das Vehikel eines Arbeiters, na ja, eines Zimmermanns eben.
So kommt Gott in unser Leben: Er hat sich eine ziemlich verbeulte Gemeinschaft ausgesucht, um Hoffnung in die Welt zu bringen, damals wie heute.
Er hat einen lungenkranken Papst und uns alltägliche Menschen. Das ist sicher kein Rezept für Großartigkeit! Das macht klar, dass es um kleine Schritte, um Kompromisse und um langen Atem geht. Und vor allem geht es darum, was wir selbst machen, und nicht darum, was wir als Kunden von Politik, Sport oder Religion erwarten können. Immer, wenn wir als Christinnen und Christen dieses unser „verbeultes“ Herkommen vergessen haben, erlitt die „frohe Botschaft“ Achsbruch und walzte über die Mitmenschen weg, wie all die anderen Blender, von denen oben die Rede war.
Sich auf Grenzen einlassen
Christsein ist also ein Aufruf zur nüchternen Zuversicht: Wir Menschen haben Grenzen. Unser Leben hat Grenzen. Unser Planet hat Grenzen. Das Leben wird weder für uns noch für andere schöner oder besser, wenn wir aus Feigheit diese Grenzen negieren und auf die „großartigen“ Rezepte der Blender vertrauen. Die Fastenzeit war eine Einladung, sich wieder wahrhaftiger auf diese Grenzen einzulassen und den eigenen Lebensstil im Blick darauf neu auszutarieren. Nüchternheit und Wahrhaftigkeit statt „Großartigkeit“. Als die Feinde Jesus auffordern, er solle die Jünger doch endlich zum Schweigen bringen, lässt sich Jesus nicht unter Druck setzen: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Das ist, was Gott von seiner verbeulten Kirche erwartet: Nicht aufhören hinzuschauen, wo andere wegschauen. Sich nicht einschüchtern lassen, die Inszenierungen der Blender stören und nicht aufhören, das offensichtliche Unrecht und das Leid der Mitmenschen anzusprechen.
Mit welcher Aussicht tun wir das?
Ostern beginnt damit, dass Frauen an ein Grab gehen. Sie denken nicht im Entferntesten an Auferstehung. Sie wollen tun, was zu tun ist, um der Menschlichkeit willen: Sie wollen einem Toten, Opfer eines Justizmordes, dem alle Ehre genommen wurde, die Ehre erweisen: wer, wenn nicht wir?! Gott vertraut seiner verbeulten Kirche. Wir müssen nur dies tun, den Gott diesen Spalt der Mitmenschlichkeit offenhalten. Denn aus diesem Spalt kommt das Licht. Der Rest ist Hoffnung und Annahme dessen, was kommt.
Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything
That’s how the light gets in.
(Chorus aus Anthem, Leonard Cohen
Gedanken zum Osterfest von
