Worin liegt, jenseits von Besoldungsfragen und Stellenbesetzungsmathematik, der Kern guter Bildung? Genauer: Was sind Umrisse eines humanistischen Bildungsbegriffes mit dem inhaltstiefen Anspruch, die Potenziale junger Menschen mit Blick auf Reflexionsfähigkeit, kritisches Denken und wertorientierte Selbstregulation zur Entfaltung zu bringen? Und welche Voraussetzungen braucht es, um einen solchen Bildungshumanismus praktisch wirksam werden zu lassen? Diesen Fragen näherte sich am 23. März 2023 eine Diskussionsveranstaltung im Düsseldorfer Maxhaus mit Pater Tobias Zimmermann SJ, Leiter des Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP) und langjähriger Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, und Teilnehmern aus Politik, Verwaltung, Schule und Kirche. Hintergrund ist die Initiative „HumanismusPlus“, mit der sich das ZIP, aus der christlichen Tradition schöpfend, für umfassende Bildung als Charakterentwicklung einsetzt.
Drei Thesen zu guter Bildung
In seinem Impulsvortrag formulierte Pater Zimmermann drei Thesen zu Gehalt und Randbedingungen guter Bildung. Erstens sollten Schulen von staatlichen Direktiven entlastet und mit mehr Autonomie ausgestattet werden, wie jüngst auch der ehemalige Bundesminister und jetzige Vorsitzende der Telekom-Stiftung Dr. Thomas de Maizière forderte. Im Sinne einer solchen Dezentralisierung könnten Schulen Bildungsprozesse nach eigenen Kriterien gestalten, müssten diese aber auch transparent rechtfertigen. Durch die entsprechenden Freiheitsgrade entstünde ein schulorganisatorisches Umfeld, das die Aufnahme charakterlicher Tugenden begünstige („character caught“).
Zweitens müsse Fortbildung zur Selbstverständlichkeit für Lehrer werden, weil sie angesichts ihres Erziehungsauftrages gerade im Bereich der Persönlichkeitsbildung gegenüber den Schülern Führungskräfte mit erheblicher Personalverantwortung seien („character taught“).
Drittens schließlich dürfe Schule nicht in falsch verstandener Neutralität, ähnlich dem französischen Laizismus, darauf verzichten, junge Menschen darin zu unterstützen, sich in verantworteter Weise der Frage nach der Erfüllung im Leben zu stellen und im Bereich religiöser und weltanschaulicher Fragen ein vernünftiges Urteilsvermögen und die Fähigkeit zum Dialog zu entwickeln. Anders gesagt: Die „Frage nach Gott“ zu stellen, gehört zu guter Schulbildung. („character sought“).
Aufruf zur Debatte
Dr. Jan Heinisch, CDU-Bildungspolitiker und ehemaliger Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen, unterstrich in seinem Grußwort die Bedeutung, übergreifenden inhaltlichen und systemischen Fragen bildungspolitischen Raum zu geben, und ermunterte dazu, mit Optimismus eine entsprechende Debatte loszutreten. Dazu leistete die Veranstaltung bereits in sich einen Beitrag – nicht zuletzt durch die Vernetzung von Akteuren, die darauf hinarbeiten, Leitprinzipien für Bildung im 21. Jahrhundert zu definieren.
Das Gespräch in Düsseldorf setzte den Schlusspunkt der „Roadshow HumanismusPlus“, im Rahmen derer führende Köpfe der ignatianischen Pädagogik in verschiedenen Bundesländern auftraten, um Mitstreiter für die Initiative zu gewinnen. Vorige Stationen waren Mainz, München, Berlin und Hamburg. Die Ergebnisse finden nun Eingang in den gemeinsamen Appell „Charakter zählt! Thesen für eine zeitgemäße Persönlichkeitsbildung“, der am 14. Juni 2023 im Bundestag vorgestellt wird.