Klaus Mertes SJ präsentiert Prinzipien freiheitlicher Persönlichkeitsbildung im Landtag von Rheinland-Pfalz
Bildung im umfassenden Sinne ist Persönlichkeitsbildung, die sich bewusst der existenziellen Fragen des Lebens annimmt. Dazu gehört das Wachhalten der Gottesfrage als elementarer Bestandteil des Bildungskanons. Auf dieser Spur gab der Jesuitenpater Klaus Mertes einen Impulsvortrag im rheinland-pfälzischen Landtag, an dem knapp 20 Gäste aus Politik, Schule und Medien teilnahmen. Die Veranstaltung stand im Kontext der Initiative „HumanismusPlus“ des Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP), das sich für einen vertieften Bildungsbegriff in der Tradition des Ignatius von Loyola einsetzt. Dessen Notwendigkeit begründete Ulrike Gentner, Co-Leiterin des ZIP, einleitend mit gegenwärtig zu beobachtenden technologischen und gesellschaftlichen Umbrüchen.
Was humanistische Bildung bedeutet und warum sie erst durch das Plus der Gottesfrage vollständig wird, erläuterte Pater Mertes anhand von drei Punkten.
- Erstens müsse Schule das Paradox wagen, dem Nutzen enthobene Tätigkeiten zu fördern, um gerade dadurch Nutzen zu stiften. Beispielhaft nannte er Schulorchester: Das vordergründig selbstzweckhafte Musizieren lehre gewissermaßen unabsichtlich die zweckdienlichen Fähigkeiten des Zuhörens, Improvisierens, öffentlichen Auftretens etc.
- Zweitens sollte Schule einem inhaltsleeren, marktgerichteten Kompetenzbegriff denjenigen einer ästhetischen Kompetenz entgegensetzen. Dabei gehe es um die Wahrnehmung überkultureller Gemeinsamkeiten des Menschseins jenseits verbreiteter Unterscheidungen „Wir vs. Die“.
- Drittens schließlich empfahl Pater Mertes das Einüben einer Kultur der Stille. Deren Ritualisierung in konkreten Unterrichtssituationen sei ein wesentlicher Schlüssel zur Herzensbildung und eröffne zugleich Reflexionspotenziale.
Dr. Andrea Litzenburger, Schulleiterin des Mainzer Mädchengymnasiums Maria Ward, unterstrich Pater Mertes‘ Anregungen mit Verweis auf ignatianische Angebote wie Meditation, Seelsorge oder Thematisierungen von Transzendenz abseits des Religionsunterrichtes.
In der Diskussion mit den Teilnehmern resümierte Pater Mertes:
Die Frage nach Gott gehört in die allgemeinbildenden Schulen.
Die Befassung mit Religion sei unabdingbar, weil Schüler de facto im Glauben stünden bzw. sich mit ihm auseinandersetzten. Lehrer dürften sie in dieser existenziellen Hinsicht nicht allein lassen. Die genannten Formate vermitteln die frohe Botschaft, dass es dafür keine langwierigen Schulorganisationsreformen braucht – man kann einfach loslegen.
Gute Bildung stellt die Frage nach Gott – aber wie?
Darüber haben Prof. Michael N. Ebertz von der Katholischen Hochschule Freiburg, Dr. Thomas Rucker vom Institut für Erziehungswissenschaft Bern und Tobias Zimmermann SJ, Leiter des Zentrums für Ignatianische Pädagogik Ludwighafen beim dritten „Salon HumanismusPlus“ im September 2021 diskutiert. Die Videoaufzeichnung der Gesprächsrunde können Sie hier ansehen:
Was ist “HumanismusPlus”?
„HumanismusPlus“ ist eine Initiative des Zentrums für Ignatianische Pädagogik, die sich für umfassende Persönlichkeitsbildung in jesuitischer Tradition einsetzt. Ziel ist es, die gesellschaftliche Debatte über den Zweck von Bildung neu zu beleben und dabei einen Ansatz zu stärken, der Individuen und Gemeinschaften ihre Potenziale ganzheitlich entfalten lässt. Lernen steht hier – entgegen einer Indienstnahme für externe Anliegen wie Arbeitsmarktfähigkeit – im Zeichen einer grundlegenden Charakter- und Tugendentwicklung. Insofern handelt es sich um einen Humanismus. Die ignatianische Prägung macht ihn zu einem „HumanismusPlus“, der über weltliche Gehalte hinausgeht und die „Frage nach Gott“ zulässt. In dieser Formel kommt zum Ausdruck, dass ignatianische Persönlichkeitsbildung die spirituelle Bedeutung des Lebens in den Blick nimmt, Indoktrination und Dogmatismus aber eine Absage erteilt. Sie ist daher ausdrücklich anschlussfähig mit säkularen Bildungsansätzen.