„Bildung hat das Potenzial, Spaltungen zu überwinden

Existentielle Themen wie Corona oder Russlands Krieg gegen die Ukraine schwappen auch in die
Schulen. Gleichsam als „Curriculum von unten“ werden sie von jungen Menschen auf die Agenda
gesetzt – mit allen damit verbundenen Kontroversen und Konflikten. Das prädestiniert Schulen,
sich solchen grundlegenden Fragen – die auch die Dimensionen von Leid und Tod einfassen –
anzunehmen und Schülern Reflexionsräume zu eröffnen. Bildungsorte könnten damit eine zentrale Rolle spielen, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden.


Ausgehend von diesem Gedanken skizzierte Pater Klaus Mertes, langjähriger Rektor des Canisius-Kollegs Berlin sowie Direktor des Kollegs Sankt Blasien, in einem Lunch-Gespräch am 15. November 2022 mit Gästen aus Bildung, Kirche und Politik Grundlinien humanistischer Persönlichkeitsbildung. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Initiative „HumanismusPlus“ statt, mit der sich das Zentrum für Ignatianische Pädagogik für einen umfassenden Bildungsbegriff jenseits enger Nützlichkeitsvorstellungen einsetzt.

HumanismusPlus

Ein „HumanismusPlus“, so Mertes, mache erstens die „Frage nach Gott“ zum Gegenstand schulischer Auseinandersetzung über Transzendenz und Ressourcen der Sinnstiftung. Demgegenüber fuße ein sie ausgrenzender Säkularismus auf einer „autoritären Bildungsphilosophie“. Zweitens stütze sich „HumanismusPlus“ auf einen gehaltvollen Begriff der Menschheit als einer Würde (Kant), aus dem eine universelle Empathiefähigkeit erwachse. Insofern stehe er im Kontrast zu dem auf Kompetenzen fokussierten OECD-Modell von Bildung, das internationale Vergleichbarkeit mit inhaltlicher Leere bezahle. Drittens schließlich brauche Persönlichkeitsbildung im Sinne eines „HumanismusPlus“ Rituale der Verinnerlichung wie etwa Stilleübungen, die zur Wahrnehmung der eigenen Gefühle anleiteten – als Voraussetzung für deren kompetente Artikulation.

In ihrer Replik auf Pater Mertes unterstrich Katharina Günther-Wünsch, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und langjährige Pädagogin, die Bedeutung eines ganzheitlichen Bildungsansatzes. Der „Output-Gedanke“ müsse beiseitegeschoben und die Schule aus dem engen Korsett der Standards entlassen werden. So würden Räume geschaffen, die Schülern erlauben, sich zu mündigen, urteilsfähigen und verantwortungsvollen Individuen zu entwickeln.

Das Individuum und seine soziale Einbettung

Das Individuum und seine soziale Einbettung war auch das Leitmotiv der sich anschließenden Diskussion. Im Rückgriff auf Wilhelm von Humboldt wurde Bildung als das innere Wachsen in Auseinandersetzung mit einer Welt beschrieben, die nicht Ich ist. Bildungsprozesse müssten dieses komplexe Ich-Wir-Verhältnis austarieren. Pater Mertes betonte, es sei essenziell, dabei über eigene Identitäten hinauszugehen. Die universelle Kategorie der Menschheit wird damit zum Antidot in den vielfältigen Kulturkämpfen der Gegenwart.

Dem Berliner Lunch-Gespräch waren Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz und Bayern vorangegangen. Im kommenden Jahr folgen Stationen in weiteren Bundesländern. Ziel dieser „Roadshow HumanismusPlus“ ist es, die Bildungsdebatte in den politischen Raum zu tragen und Mitstreiter*innen zu finden. Es geht um die Frage, was Politik und Bildungslandschaft tun können, um das Thema Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben. Im Sommer 2023 soll ein gemeinsamer Appell „Charakter zählt! Thesen für eine zeitgemäße Persönlichkeitsbildung“ auf Bundesebene vorgestellt werden.


HumanismusPlus“ ist eine Initiative des Zentrums für Ignatianische Pädagogik, die sich für umfassende Persönlichkeitsbildung in jesuitischer Tradition einsetzt. Ziel ist es, die gesellschaftliche Debatte über den Zweck von Bildung neu zu beleben und dabei einen Ansatz zu stärken, der Individuen und Gemeinschaften ihre Potenziale ganzheitlich entfalten lässt.

Lernen steht hier – entgegen einer Indienstnahme für externe Anliegen wie Arbeitsmarktfähigkeit – im Zeichen einer grundlegenden Charakter- und Tugendentwicklung. Insofern handelt es sich um einen Humanismus. Die ignatianische Prägung macht ihn zu einem „HumanismusPlus“, der über weltliche Gehalte hinausgeht und die „Frage nach Gott“ zulässt. In dieser Formel kommt zum Ausdruck, dass ignatianischePersönlichkeitsbildung die spirituelle Bedeutung des Lebens in den Blick nimmt,
Indoktrination und Dogmatismus aber eine Absage erteilt. Sie ist daher ausdrücklich anschlussfähig mit säkularen Bildungsansätzen.

Wenn Sie weiterführende Informationen über die Kampagne „HumanismusPlus“ erhalten möchten, schreiben Sie einfach eine kurze E-Mail an:

Bei einem Lunch-Gespräch mit Gästen aus Bildung, Kirche und Politik skizzierte Pater Klaus Mertes SJ Grundlinien humanistischer Persönlichkeitsbildung und sprach über Prinzipien und Praxis freiheitlicher Persönlichkeitsentwicklung.

Bild: bangertprojects

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